Das Soltau-Haus in Bergedorf

Denkmalpflegerische Aspekte

Sachsentor 28
Denkmalliste Nr. 424 v. 09.07.1955

1. Das Soltau-Haus innerhalb seines Umfeldes
Das Haus Sachsentor 28 ist eines der wenigen Häuser in Bergedorfs Hauptstraße, dessen Charakter über 250 Jahre erhalten geblieben ist. Im Gegensatz zu den meisten umstehenden Objekten fiel es nicht der Bauwut des ausgehenden 19. Jahrhunderts zum Opfer oder wurde bis zur Unkenntlichkeit der ursprünglichen Bausubstanz verändert.

2. Baugeschichte des Soltau-Hauses
O. g. Objekt wurde in seiner ursprünglichen Form 1705 im Gegensatz zu vielen Bergedorfer Bürgerhäusern nicht als Giebelhaus sondern als Fachwerk-Traufenhaus mit breiter Front und Mansardendach erbaut. Nachdem Diedrich Soltau es auf dem Grundstück seiner Familie hat errichten lassen, war es nahezu zwei Jahrhunderte das Bürgerhaus der angesehenen Holzhändlerfamilie aus der zahlreiche Ratmänner und Bürgermeister hervorgingen, sowie Geburtshaus eines der berühmtesten Söhne der Stadt, nämlich des Literaturwissenschaftlers und Übersetzers Dietrich Wilhelm Soltau, dem von der Universität Göttingen die Ehrendoktorwürde verliehen wurde. Seit Mitte des 19. Jahrhunderts war das Soltau-Haus auch als Wiebecksches Haus bekannt. Die Familie Wiebeck betrieb dort bis 1952 einen Laden für Glas- und Porzellanwaren. Nach einem Umbau des Hauses (unter Punkt 3. beschrieben) wurden die Räume des Erdgeschosses von der Hamburger Sparkasse bezogen. Zu Beginn des neuen Jahrtausends gab die Hamburger Sparkasse ihre Filiale auf, und die Parfümerie Douglas ist seitdem Mieter der Räume.

3. Umbauten des Soltau-Hauses
Von 1953-55 erfolgte ein Umbau mit Erhaltung des Gesamteindrucks von Front und Dachkonstruktion bei gleichzeitiger Zurücksetzung aus städtebaulichen Gründen. Die Stukkaturen aus dem Jahre 1770, die sich im Erdgeschoss befanden wurden bereits 1953 komplett ausgebaut und original im so genannten Soltauzimmer im Museum für Bergedorf und die Vierlande eingebaut, wo sie auch heute noch zu besichtigen sind. Eine Stuckdecke aus dem Jahre 1705 mit den Initialen des Erbauers Diedrich Soltau und seiner Frau wurde zusammen mit den stukkatierten alten Eichenholzbalken im ersten Obergeschoss wieder eingebaut.

4. Erhaltungszustand des Soltau-Hauses
Der Bauzustand, gerade des wertvollen Fronteindrucks ist dank der ununterbrochenen Nutzung als Geschäftshaus als gemeinhin gut zu bezeichnen. Die aufwendigen Fachwerkkonstruktion mit den Holzgesimsbändern und der originalgetreuen Verglasung mit nach Außen zu öffnenden Fenstern und dem Traufendach machen den Erhalt der Bausubstanz sehr kostenintensiv. Es ist dem persönlichen Engagement der Eigentümerin zu verdanken, dass dieses Haus den Bergedorfern bislang erhalten blieb.

5. Das Soltauhaus innerhalb des Bergedorfer Stadtbildes
Das Gebäude stellt innerhalb des Bergedorfer Stadtbilds schon lange ein Kleinod dar, wobei das Alleinstellungsmerkmal nicht unbedingt die Fachwerkbauweise mit breiter Front ist, wie ein Vergleich mit dem Haus Bäckerei Erdmann, Sachsentor 14 zeigt, sondern der auch seit 1955 kontinuierlich gepflegte Erhaltungszustand des vermutlich 250 Jahre alten Fronteindrucks. Dabei fügt es sich perfekt in das Bergedorfer Stadtbild ein und zwar nicht deshalb, weil es so viele Häuser dieses Typs gäbe, sondern weil es Teil einer über Jahrhunderte gewachsenen Struktur aus zahlreichen unterschiedlichen Baustilen ist, deren Vertreter mittlerweile fast alle als erhaltenswürdig eingestuft werden müssen.

6. Das Soltau-Haus - Kleinod der Bergedorfer Stadtgeschichte
Das Soltau-Haus zeugt als letztes Bauwerk seiner Art von Bergedorfs Reichtum, der sich auf den Holzhandel gründete. Nicht umsonst ließ sich Diedrich Soltau im Jahre 1705 ein Fachwerkhaus mit aufwändiger Holzkonstruktion errichten. Die Familie Soltau gehörte zu den größten Holzhändlern des aufblühenden Städtchens. Auch die Größe des Grundstücks mit der breiten Front zeugt von der Bedeutung seines Erbauers. Optisch mittlerweile deutlich von den umstehenden Bauten abgehoben hat sich das Haus gewissermaßen in Bergedorf als Fels in der Brandung der Um- und Neubaubestrebungen erwiesen und markiert einen deutlichen Kontrapunkt zu der im Vergleich geradezu futuristisch anmutenden gegenüber liegenden Häuserfront des Warenhauses Karstadt.

7. Bedeutung des Soltau-Hauses unter kulturgeschichtlichen Aspekten
Während Diedrich Soltau als Erbauer des Hauses und Bergedorfer Bürgermeister für Bergedorfs Geschichte von Bedeutung ist, sorgte sein Nachfahre Dietrich Wilhelm Soltau, der in jenem Hause aufwuchs, auf anderem Gebiet für Furore. Mit seiner Übersetzung von Cervantes´ Don Quichote aus dem Spanischen und Boccaccios Decamerone aus dem Italienischen erlangte er für den gesamten deutschsprachigen Raum Bedeutung. Sein berühmtestes Werk jedoch ist die hochdeutsche Fassung des Reineke Fuchs. Eine Tafel über dem Eingang des Gebäudes erinnert auch heute noch an Soltau.

8. Das Soltau-Haus und die Forschung
Das Haus ist trotz seines Umbaus 1953-55 und der Auslagerung des sog. Soltau-Zimmers aus dem Erdgeschoss ins Museum für Bergedorf und die Vierlande auch heute noch von großer Bedeutung für die Erforschung der bürgerlichen Alltagskultur, nicht nur Bergedorfs sondern auch Hamburgs. Die Verquickung von einerseits traditioneller Fachwerkbauweise, die zudem noch ein deutlicher Hinweis auf die Herkunft des Erbauers ist, und andererseits prunkvoller Stukkatur, welche im Obergeschoss des Hauses noch lebendig ist und den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stand hervorhebt, dürfte in dieser Art auf Hamburger Staatsgebiet mittlerweile selten sein.




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